Onkologische Bildgebung – KI zur Lungengewebeklassifizierung unverzichtbar

Ev. Klinikum Niederrhein nutzt SEARCH Lung CT für volumetrische Bestimmungen und Übersicht über Verteilungsmuster

Ist die Künstliche Intelligenz (KI) gekommen, um zu bleiben? Die Antwort lautet eindeutig ja, denn von der Labormedizin bis zur Radiologie unterstützt sie Mediziner dabei, plausible, quantifizierbare und reproduzierbare Ergebnisse in deutlich kürzerer Zeit zu erhalten. Damit entlastet sie die unter großem Arbeitsaufkommen leidenden medizinischen Abteilungen. KI wird viele Tätigkeiten in den Bereichen, wo sie gut einsetzbar ist, künftig auch tatsächlich übernehmen. „Sich wiederholende Arbeiten in unseren Fachgebieten wie beispielsweise Werte zu ermitteln und abzugleichen, sind eine hervorragende Domäne für den Einsatz von Maschinen“, ist Prof. Dr. Jörg Michael Neuerburg, Chefarzt der zentralen Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Evangelisches Klinikum Niederrhein (EvKlN) Ev. Krankenhaus BETHESDA, überzeugt.

Der Verbund ist Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Düsseldorf und hat mit dem Ev. Klinikum Duisburg-Nord, dem Johanniter Krankenhaus Oberhausen, dem Herzzentrum Duisburg-Meiderich, dem Ev. Krankenhaus Dinslaken und dem Ev. Krankenhaus BETHESDA zu Duisburg fünf Standorte im Ruhrgebiet. Als Maximalversorger betreibt das Klinikum ein Thoraxzentrum mit zwei pulmologischen Abteilungen sowie ein Herzzentrum. In der radiologischen Abteilung arbeiten 16 Radiologen und 9 Neuroradiologen, die ein Einzugsgebiet von einer halben Million Menschen vom Niederrhein bis zum Ruhrgebiet betreuen.

Künstliche Intelligenz muss eingebettet sein

Für die Akzeptanz beim Einsatz von KI ist nicht nur die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse ein wichtiger Faktor, sondern laut Prof. Dr. Neuerburg auch die vollständige Integration in den gewohnten radiologischen Workflow ein absolutes Muss. Das Problem der KI-Systeme wie auch ihrer Vorläufer, den CAD-Systemen, war immer die Implementierung in den Arbeitsablauf: „Wenn ein separates Programm geöffnet werden muss und die Bilder möglicherweise zusätzlich an einen anderen Rechner geschickt werden müssen, verzögert sich der Arbeitsablauf. Die Radiologie, wie auch alle anderen Abteilungen, wird nach Durchsatz bemessen. Wenn KI zusätzliche Arbeit bedeutet, ist die Akzeptanz gering. Dieses Problem hat contextflow in Zusammenarbeit mit VISUS sehr gut gelöst,      SEARCH Lung CT ist bestens in unseren Workflow integriert“, sagt Prof. Neuerburg.

Die Einführung von KI als Gemeinschaftsaufgabe

Die Radiologen am EvKIN arbeiten mit dem JiveX-PACS von VISUS (Compugroup) und dem Krankenhaus-Informationssystem ORBIS von Dedalus HealthCare, die beide bereits eng verzahnt sind. Damit waren gute Voraussetzungen gegeben, um in Abstimmung mit den Pneumologen SEARCH Lung CT von contextflow zu installieren. Nachdem die anfänglichen Probleme von Seiten der Rechtsabteilung bezüglich des Datentransfers gelöst wurden – es musste sichergestellt werden, dass bei der Datenübertragung auf andere Server keine Datenschutzrichtlinien tangiert würden –, gelang die Integration des neuen Programms dank des Zusammenwirkens der hauseigenen IT und der Firmen VISUS und contextflow sehr schnell und ohne den laufenden Betrieb zu beeinträchtigen.

Die Tücken der onkologischen Bildgebung

In der Radiologie ist die onkologische Bildgebung eine stets wiederkehrende Herausforderung: die gezielte Suche nach dem Tumor, seine standardisierte Bestimmung und im Fall der Therapie die Verlaufsbeurteilung. „Nehmen wir als Beispiel einen Patienten mit einem metastasierten Bronchialkarzinom. Um die Frage zu beantworten, ob bereits Rundherde bestanden, muss die aktuelle Untersuchung mit der Voruntersuchung verglichen werden. Das kann natürlich die Künstliche Intelligenz viel schneller und viel effizienter beantworten als wir“, beschreibt Prof. Neuerburg einen aktuellen Fall für den Einsatz von KI.

Der Chefradiologe hat bereits breite Erfahrung mit KI-Systemen und setzt in seiner Abteilung drei Programme ein: BoneXpert, ein KI-basiertes System zur Bestimmung des Knochenalters, das in der Pädiatrie Anwendung findet, um Wachstumsverzögerungen oder -beschleunigungen zu ermitteln, sowie in der Forensik zur Altersbestimmung straffällig gewordener Jugendlicher. Weitere KI-Unterstützung liefert Transpara – ein Mammographie Screening Tool, das mittels einer Graduierung von Null bis Zehn die Wahrscheinlichkeit angibt, an Brustkrebs zu erkranken.

Für die Lungendiagnostik bauen die Radiologen im EvKIN seit einem Jahr auf SEARCH Lung CT, um die Lungendiagnostik qualitativ und quantitativ insgesamt zu verbessern und insbesondere bei der Abschätzung des Verteilungsmusters von Emphysemen Unterstützung zu erhalten. „Diese Verteilungsmuster sind für die Pneumologen wichtig, weil sie als Grundlage dafür dienen, Ventile zur ausreichenden Belüftung der Lunge zu setzen. Daher haben wir unsere Befunde angepasst und liefern quantitative Ergebnisse, inwieweit beispielsweise nach der Ventilsetzung der Oberlappen anders belüftet wird als der Mittellappen“, erklärt der Radiologe die Vorgehensweise.

Außerdem wird SEARCH Lung CT im Rahmen des Stagings für die Rundherderkennung im Follow-up genutzt. Dazu werden die Voruntersuchungen mit den aktuellen Ergebnissen verglichen, um modulare Strukturverdichtungen zu identifizieren. Zudem erkennt das System neue Herde und misst die Volumina der bestehenden; so ermöglicht es eine Beurteilung des Therapieverlaufs. Es sind also die quantitativ messbaren Veränderungen, auf die sich die Radiologen am EvKIN derzeit hauptsächlich stützen. „SEARCH Lung CT ist momentan noch in der Entwicklungsphase, so dass wir das Tool als Add-on nutzen und die Volumenangabe als Ergänzung in unserem Befund angeben, ohne dass diese Werte standardisiert in den Workflow eingegangen sind“, erklärt Prof. Neuerburg.

Auf der Wunschliste des Experten steht die Erweiterung der Software um den Bereich der Pleura, um zum Beispiel Berufserkrankungen wie das Mesotheliom, das nach Asbestexpositionen auftritt, zu erkennen. Im Augenblick analysiert das Tool die Lunge, allerdings auch nicht alle Strukturen. Daher ist die zusätzliche visuelle Befundung des Radiologen in dieser Phase weiterhin nötig, zumal bei Bronchialkarzinomen auch ein Blick auf die Nebennieren oder die Leber angeraten ist, um zu schauen, ob sich im Abdomen Metastasen des primären Tumors gebildet haben.

Standardisierung und Klassifikation bereiten den Weg für KI 

Nach einem langen Vorlauf bewegt sich die Radiologie inzwischen zügig hin zu standardisierten Befunden. Was mit den BI-RADS-Klassifikationen im Brustkrebs-Screening vor Jahren begonnen hat, hat sich über die PI-RADS-Klassifikation bei der Prostatabildgebung bis zu den LI-RADS-Klassifikationen bei der Leberbildgebung etabliert: ein stringentes und institutsunabhängiges Stagingsystem. Darunter ist die Einteilung von Tumorerkrankungen in bestimmte Krankheitsstufen zu verstehen, die in der Folge unterschiedliche Therapiekonzepte erfordern. So werden metastasierte Erkrankungen beispielsweise nicht nur operativ entfernt, wohingegen auf das Organ bezogene frühe Stadien in Abhängigkeit von der Histologie durchaus operativ zu therapieren sind. „In diese Richtung wird sich die KI entwickeln und das Leben der Radiologen künftig maßgeblich beeinflussen. Denn hier kommt die Volumetrie von Läsionen, der volumetrische Vergleich, ins Spiel, der im Rahmen des onkologischen standardisierten Stagings für die Zertifizierung von Tumorzentren mittlerweile vorgeschrieben ist.

„Auf dem Weg zur standardisierten Befundung in der Radiologie wird die Software von contextflow uns also wichtige Unterstützung liefern“, skizziert Prof. Neuerburg abschließend die neuen Pfade in der Bildgebung.

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